15 Nachbarschaftsgrenzen
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... die physische Grenze, die zur Abschirmung der Subkulturen voneinander und zur Entwicklung eigenständiger Lebensweisen nötig ist, wird für die GEMEINDE VON 7000 (12) durch das Muster SUBKULTUR-GRENZE (13) garantiert. Aber eine zweite, schwächere Art von Grenze ist für die Bildung der kleineren IDENTIFIZIERBAREN NACHBARSCHAFT (14) erforderlich.
Die Wirkung der Grenze ist für die Nachbarschaft wesentlich. Wenn die Grenze zu schwach ist, kann die Nachbarschaft ihren identifizierbaren Charakter nicht aufrechterhalten.
Die Zellwand einer organischen Zelle ist gleich groß oder sogar größer als das Zellinnere. Es ist nicht eine Fläche, die das Innere vom Äußern trennt, sondern eine zusammenhängende selbständige Wesenheit, die die funktionelle Integrität der Zelle bewahrt und für eine Vielzahl von Vorgängen zwischen dem Zellinnern und den umgebenden Flüssigkeiten sorgt.
Wir haben schon in SUBKULTUR-GRENZE (13) dargelegt, dass eine Gruppe mit spezifischem Lebensstil eine Grenze braucht, um ihre Eigenart vor Übergriffen und Verwässerung durch die umgebenden Lebensweisen zu schützen. Diese Subkultur-Grenze funktioniert also genauso wie eine Zellwand - sie schützt die Subkultur und schafft Raum für den Austausch mit umliegenden Funktionen.
Dieser Gedankengang gilt genauso für eine einzelne Nachbarschaft, die einen Mikrokosmos einer Subkultur darstellt. Während jedoch die Subkultur-Grenzen breite Landstreifen, kommerzielle und industrielle Nutzungen brauchen, können die, Nachbarschaftsgrenzen viel bescheidener sein. Es ist ja wirklich nicht möglich, dass eine Nachbarschaft mit 500 oder mehr Einwohnern sich mit Geschäften, Straßen und Gemeinschaftseinrichtungen abgrenzt; es sind einfach nicht genug Leute da. Natürlich werden die wenigen Geschäfte, die es in der Nachbarschaft gibt - das STRASSENCAFE (88), das LEBENSMITTELGESCHÄFT AN DER ECKE (89) - zur Bildung des Randes beitragen, aber im großen und ganzen werden die Nachbarschaftsgrenzen aus einem ganz anderen morphologischen Prinzip entstehen müssen.
Durch die Beobachtung von Nachbarschaften, die das Ziel der Eigenständigkeit sowohl physisch als auch aus der Sicht der Bewohner erreicht haben, fanden wir heraus, dass das wichtigste Einzelmerkmal einer Nachbarschaftsgrenze der eingeschränkte Zutritt in die Nachbarschaft ist: Nachbarschaften, deren Eigenständigkeit gelungen ist, haben eindeutige und relativ wenige Wege und Straßen, die hineinführen.
Hier ist z. B. ein Plan der Etna-Street-Nachbarschaft in Berkeley.
In diese Nachbarschaft führen nur sieben Straßen im Vergleich zu den vierzehn, die es in einem typischen Teil eines Straßenrasters geben würde. Die anderen Straßen stoßen alle in T-Kreuzungen unmittelbar an den Rand der Nachbarschaft. So ist also, obwohl die Etna-5treet-Nachbarschaft nicht im wörtlichen Sinn von der Gemeinschaft abgeschlossen ist, ihr Zugang auf subtile Weise beschränkt. Daraus folgt, dass man nicht mit dem Auto in die Nachbarschaft fährt, wenn man dort nichts zu tun hat. Für Leute in der Nachbarschaft ist erkennbar, dass sie in einem bestimmten Teil der Stadt sind. Natürlich wurde die Nachbarschaft nicht absichtlich "geschaffen". Es war ein Gebiet in Berkeley, das wegen dieses Zufalls im Straßensystem zu einer identifizierbaren Nachbarschaft wurde.
Ein extremes Beispiel dieses Prinzips ist die Fuggerei in Augsburg, abgebildet in IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14). Die Fuggerei ist völlig durch Gebäudehinterseiten und Mauern abgeschlossen, die Wege hinein sind eng und durch Tore markiert.
Tatsächlich bedeutet beschränkter Zutritt per definitionem, dass die wenigen Punkte, wo Zutritt möglich ist, besondere Bedeutung annehmen. Auf die eine oder andere Art subtil oder augenfällig, werden sie zu Toren, die den Durchgang zur Nachbarschaft markieren. Wir sprechen darüber ausführlicher in HAUPTORE (53). Tatsache bleibt jedoch, dass jede gelungene Nachbarschaft identifizierbar ist, weil sie irgend eine Art von Toren hat: die Grenze bleibt in Erinnerung, weil man die Tore wiedererkennt.
Falls die Idee der Tore zu abgeschlossen erscheint, fügen wir gleich hinzu, dass die Grenzzone - und besonders der Teil rund um die Tore - auch eine Art Versammlungsort bilden muss, wo Nachbarschaften zusammenkommen. Wenn jede Nachbarschaft ein selbständiges Wesen ist, wird die Gemeinde von 7000, zu der die Nachbarschaften gehören, nicht für die Flächen innerhalb der Nachbarschaften planen. Aber ihre Planungshoheit wird sich auf alle Flächen zwischen den Nachbarschaften - die Grenzflächen - erstrecken, weil genau in diesen Grenzflächen gemeinschaftliche Funktionen für alle 7000 Einwohner Platz finden müssen. In diesem Sinne dienen die Grenzen nicht nur zum Schutz der einzelnen Nachbarschaften, sondern sie bewirken gleichzeitig ihren Zusammenschluss bezüglich übergeordneter Vorgänge.
Daraus folgt:
Fördere die Bildung einer Grenze rund um jede Nachbarschaft, um sie von den Nachbarschaften daneben zu trennen, Bilde diese Grenze durch Schließen von Straßen und durch Beschränken des Zutritts zur Nachbarschaft - streich von der normalen Anzahl der Straßen mindestens die Hälfte. Stell Tore an die Punkte, wo die beschränkten Zugangswege die Grenze queren; und mach die Grenzzone breit genug zur Aufnahme von Versammlungsorten für die gemeinsamen Funktionen mehrerer Nachbarschaften.
Der leichteste Weg, eine Grenze um eine Nachbarschaft zu bilden, ist, die Gebäude nach innen zu drehen und die Wege über die Grenze abzuschneiden, außer einen oder zwei, an bestimmten Punkten, die zu Toren werden - HAUPTORE (53); der öffentliche Grund der Grenze kann einen Park, Sammelstraßen, kleine Parkplätze und Arbeitsstätten aufnehmen - alles, was einen natürlichen Rand bildet - PARALLELE STRASSEN (23), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41), RUHIGE HINTERSEITEN (59), ERREICHBARE GRÜNFLÄCHE (60), ABGESCHIRMTES PARKEN (97), KLEINE PARKPLÄTZE (103). Die Treffpunkte im Grenzstreifen können jene Orte mit Nachbarschaftsfunktion sein, die mit sich bringen, dass man sich trifft: ein Park, eine gemeinsame Garage, ein freier Platz, eine Einkaufsstraße, ein Spielplatz - EINKAUFSSTRASSE (32), TEICHE UND BÄCHE (64), ÖFFENTLICHES ZIMMER IM FREIEN (69), GRABSTÄTTEN (70), LOKALER SPORT (72), ABENTEUERSPIELPLATZ (73) ....
Muster: Städte
5 MASCHENNETZ VON LANDSTRASSEN
14 IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT
36 ABSTUFUNGEN DER ÖFFENTLICHKEIT
41 GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN
43 UNIVERSITÄT ALS OFFENER MARKT
45 KRANZ VON GEMEINSCHAFTSPROJEKTEN
46 MARKT MIT VIELEN GESCHÄFTEN
49 ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN
52 NETZ VON FUSS- UND FAHRWEGEN
68 SPIELEN MIT ANDEREN KINDERN
69 ÖFFENTLICHES ZIMMER IM FREIEN
80 SELBSTVERWALTETE WERKSTÄTTEN UND BÜROS
81 KLEINE UNBÜROKRATISCHE DIENSTLEISTUNGEN
89 LEBENSMITTELGESCHÄFT AN DER ECKE
94 SCHLAFEN IN DER ÖFFENTLICHKEIT