109 Langes schmales Haus
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...für ein sehr kleines Haus oder Büro löst sich das Muster GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107) fast von selbst — niemand würde sich das Haus breiter als 8 m vorstellen. Aber in solchen Fällen gibt es gewichtige Gründe, das Gebäude sogar noch länger und schmäler zu machen. Ursprünglich hat dieses Muster Christie Coffin ausgearbeitet.
Die Form eines Gebäudes hat große Auswirkungen auf das relative Erlebnis von Privatheit oder Überfüllung, und das wieder hat entscheidende Auswirkungen auf die Behaglichkeit und das Wohlbefinden der Menschen.
Es gibt weit verbreitete Belege dafür, dass Überfüllung in kleinen Wohnungen psychologischen und sozialen Schaden anrichtet. (Zum Beispiel Wiliam C. Loring, „Housing Charac-teristics and Social Disorganization," Social Problems, Januar 1956; Chombart de Lauwe, Familie et Habitation, Editions du Centre National de la Recherche Scientifique, Paris, 1959; Bernard Lander, Towards an Understanding of Juvenile Delinquency, New York: Columbia University Press, 1954.) Jeder klebt am anderen; alles ist zu nahe beisammen. Zurückgezogenheit für den Einzelnen oder für ein Paar ist fast ausgeschlossen.
Mit mehr Raum könnte man diese Probleme leicht lösen — aber Raum ist teuer, und es ist gewöhnlich unmöglich, mehr als eine bestimmte, sehr begrenzte Menge davon zu kaufen. So stellt sich folgende Frage: Mit welcher Gebäudeform ist für ein gegebenes Flächenausmaß der Eindruck der größten Geräumigkeit zu erreichen?
Auf diese Frage gibt es eine mathematische Antwort. Auf diese Frage gibt es eine mathematische Antwort. Der Eindruck der Überfüllung entsteht zum Großteil durch die mittleren Punkt-zu-Punkt-Entfernungen im Inneren eines Gebäudes. In einem kleinen Haus sind diese Entfernungen klein, deshalb kann man im Innern nicht weit gehen oder sich von ärgerlichen Belästigungen losmachen; und es ist schwer, Geräuschquellen zu entkommen, selbst wenn sie in anderen Räumen sind.
Diese Wirkung wird durch eine Gebäudeform abgeschwächt, in der die mittlere Punkts zu Punkt-Entfernung hoch ist. (Für jede gegebene Form kann man die mittlere oder durchschnittliche Entfernung zwischen zwei beliebigen Punkten innerhalb der Form berechnen.) In kompakten Formen wie Kreisen und Quadraten ist die mittlere Punkt-zu-Punkt-Entfernung niedrig in ausgedehnten Formen wie langen schmalen Rechtecken, verzweigten Formen und in hohen schmalen Türmen ist sie hoch. Diese Formen verstärken die Trennung zwischen einzelnen Stellen im Gebäude und steigern daher die relative Privatheit, die Personen innerhalb eines gegebenen Flächenausmaßes finden können.
Natürlich gibt es für die Länge und Schmalheit eines Gebäu des praktische Grenzen. Wenn es zu lang und zu schmal ist werden Außenwandkosten und Heizkosten zu hoch und der Grundriss ist unbrauchbar. Aber das ist kein Grund, sich mit kistenförmigen Gebäuden abzufinden.
Tatsächlich kann ein kleines Gebäude viel schmäler sein, als man glaubt. Jedenfalls viel schmäler als die 8 m, die in GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107) vorgeschlagen werden. Es gibt ausgezeichnete Gebäude, die keine 4 m breit sind - Richard Neutras eigenes Haus in Los Angeles ist sogar beträchtlich schmäler.
Ein langes schmales Haus kann auch ein Turm sein, oder zwei Türme, die am Boden verbunden sind. Wie Stockwerke können auch Türme viel schmäler sein als man glaubt. Ein Gebäude mit 3,5 m im Quadrat, dreigeschossig, mit einer außenliegenden Stiege, ergibt ein wunderbares Haus. Die Räume sind psychologisch so weit voneinander entfernt, dass man glaubt, in einem Herrschaftshaus zu sein.
Daraus folgt:
Dräng in kleinen Gebäuden nicht alle Räume im Kreis zusammen; reihe sie vielmehr nacheinander auf, so dass die Entfernung zwischen den Räumen so groß wie möglich wird. Das geht horizontal — dann wird der Grundriss ein schmales langes Rechteck; oder es geht vertikal - dann wird das Gebäude ein hoher schmaler Turm. In beiden Fällen kann das Gebäude erstaunlich schmal sein und doch funktionieren - 2,5 m, 3m oder 3,5 m sind durchaus möglich.
Verwende den langen schmalen Grundriss, um den Außen- raum auf dem Grundstück zu formen — POSITIVER AUSSENRAUM (106); der lange Außenumfang des Gebäudes schafft die Bedingungen für STUFEN DER INTIMITÄT (127) und DACHKASKADE (116). Sorge für die Ausgewogenheit zwischen der Privatheit die das schmale Gebäude bietet, und der Gemeinschaftlichkeit an den Kernpunkten des Hauses GEMEINSCHAFTSBEREICHEN DER MITTE (129)
Muster: Gebäude
98. ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE
104. VERBESSERUNG DES BAUPLATZES
107. GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT
114. HIERARCHIE VON AUSSENRÄUMEN
129. GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE
135. WECHSEL VON HELL UND DUNKEL
140. PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE
149. ENTGEGENKOMMENDER EMPFANG
151. KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER
159. LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM
183. ABGRENZUG DES ARBEITSPLATZES