132 Kurze Verbindungsgänge
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... VON RAUM ZU RAUM (131) beschreibt die Großzügigkeit von Licht und Erschließung in Bezug auf zusammenhängende Räume und spricht sich gegen die Verwendung von Gängen aus. Wenn es aber in einem Büro oder Haus einen Gang geben muss und dieser zu klein für eine PASSAGE DURCHS GEBÄUDE (101) ist muss man ihn besonders sorgfältig behandeln — als handelte es sich dabei um ein eigenes Zimmer. Das folgende Muster zeigt die Eigenheiten dieser kleinsten Gänge auf und vervollständigt so das Verbindungssystem, das in ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98), PASSAGE DURCHS GEBÄUDE (101) und VON RAUM ZU RAUM (131) festgelegt wurde.
„ ... lange, sterile Gänge sind die Grundlage alles Schlechten in der modernen Architektur."
Die hässlichen, langen, immer wieder anzutreffenden Gänge des Maschinenzeitalters haben tatsächlich das Wort "Gang" so entwertet, dass man sich kaum noch vorstellen kann, dass ein Gang auch etwas Schönes an sich haben kann; dass der Moment, den man für den Weg von einem Zimmer zum anderen braucht, so wertvoll wie die in den Zimmern selbst verbrachten Momente ist.
Wir möchten nun klär herausarbeiten, wie sich Gänge, die leben, die Freude bereiten und den Menschen das Gefühl von Lebendigkeit vermitteln, von jenen unterscheiden, bei denen das nicht der Fall ist. Vier Punkte sind dabei zu beachten.
Der wichtigste Punkt ist unserer Ansicht nach natürliches Licht. Ein Vorraum oder Gang mit reichlich Sonnenlicht wirkt immer freundlich. Als Modellfall gilt hierfür der „einseitige" Vorraum, der auf seiner offenen Seite Fenster und Türen hat. (Beachte, dass dies eine der wenigen geeigneten Stellen ist, wo man einen Raum von einer Seite aus belichten kann.)
Der zweite Punkt ist das Verhältnis des Gangs zu den Zimmern, die davon wegführen. Durch innere Fenster, die von diesen Zimmern in den Vorraum hinausgehen, kann der Vorraum belebt werden. Die Fenster erzeugen eine Wechselwirkung zwischen Zimmern und Gang; sie fördern einen informelleren Kommunikationsstil; sie vermitteln den durch einen Vorraum gehenden Menschen das Gefühl von Leben in den Zimmern. Selbst in einem Büro ist diese Art von Kontakt gut, so lange sie nicht übertrieben wird; so lange die einzelnen Arbeitsplätze entweder durch ausreichende Distanz oder durch eine halbhohe Wand geschützt sind - siehe HALBPRIVATES BÜRO (152), ABGRENZUNG DES ARBEITSPLATZES (183).
Der dritte Punkt, der den Unterschied zwischen einem belebten und einem toten Gang ausmacht, betrifft die Möblierung. Wenn der Gang so angelegt ist, dass ihn die Leute gern mit Bücherregalen, kleinen Tischen, Stellen zum Anlehnen und sogar Sesseln ausstatten, ist er wirklich Teil der belebten Bereiche eines Gebäudes, und nicht etwas völlig Isoliertes.
Und schließlich gibt es noch den entscheidenden Punkt der Länge. Intuitiv wissen wir, dass die Gänge in Bürogebäuden, Krankenhäusern, Hotels, Etagenhäusern - ja selbst in Wohnungen viel zu lang sind. Die Menschen mögen sie nicht: Sie sind ein Symbol für Bürokratismus und Monotonie. Und es gibt sogar Nachweise für ihre schädliche Wirkung.
Sehen wir uns eine Studie von Mayer Spivack an, in der die unbewussten Auswirkungen langer Krankenhausgänge auf Wahrnehmung, Kommunikation und Verhalten beschrieben werden:
Vier Beispiele von langen Gängen in Nervenheilanstalten werden untersucht... man kommt zu dem Schluss, dass solche Räume aufgrund:: ihrer typischen akustischen Eigenschaften die normale verbale Kommunikation negativ beeinflussen. Durch die optischen Eigenheiten dieser Durchgangsräume werden Gestalten und Gesichter nur verschwommen wahrgenommen und Entfernungen verzerrt. Die von einem Tunnel erzeugten paradoxen visuellen Signale riefen aufeinander bezogene Sinnestäuschungen in Bezug auf Größe, Entfernung, Gehgeschwindigkeit und Zeit hervor. Beobachtungen des Patientenverhaltens deuten darauf hin, daß die durch schmale Gänge hervorgerufenen Angstzustände auf die Verletzung des persönlichen Distanzgefühls zurückzuführen sind... (M. Spivack, „Sensor y Distortion in Tunnels and Corridors", Hospital and Community Psychiatry, 18, Nr. 1, Jänner 1967)
Wann ist ein Korridor zu lang? In einer früheren Fassung dieses Musters (Short corridors in A Pattern Language Which Generates Multi-Service Centers, CES, 1968, S. 179-182) haben wir Nachweise vorgelegt, die darauf hindeuten, dass es eine: ganz klar erkennbare Grenze zwischen langen Gängen und, kurzen Vorräumen gibt: Demnach liegt die kritische Schwelle etwa bei 15 Metern. Wird diese Länge überschritten, werden die Gänge meist schon als tot und monoton empfunden;
Natürlich kann man auch sehr lange Gänge human gestalten;, aber wenn sie länger als 15 m sein müssen, sollten sie in ihrem; Verlauf Verlauf irgendwie unterbrochen werden. Ein länger Vorraum beispielsweise, der in kleinen Abständen stellenweise von einer: Seite belichtet wird, kann sehr freundlich wirken: durch den Wechsel von Hell und Dunkel und die Möglichkeit inne zuhalten und herumzuschauen verliert man das Gefühl, sich in einem endlosen toten Gang zu befinden; die gleiche Wirkung, hat auch ein Vorraum, an den sich da und dort breitere Zimmer anschließen. Tu jedoch, was du kannst, um Gänge wirklich, möglichst kurz zu halten.
Daraus folgt:
Bau kurze Gänge. Gestalte sie so weit wie möglich wie Zimmer, mit Teppichen oder Holzböden, mit Möbeln, Bücherregalen, schönen Fenstern. Leg sie großzügig an und sorg für reichlich Licht; die besten Korridore und Verbindungsgänge sind jene, die die ganze Wand entlang Fenster haben.
Statte sie mit Fenstern, Bücherregalen und Möbeln aus, damit sie möglichst wie echte Zimmer aussehen, mit Nischen und Sitzgelegenheiten entlang der Wand — LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159), NISCHEN (179), PLATZ AM FENSTER (180), DICKE WÄNDE (197), SCHRÄNKE ZWISCHEN RÄUMEN (198); öffne die Längsseite in Richtung Garten oder Balkone — ZIMMER IM FREIEN (163), DIE GALERIE RUNDHERUM (166), NIEDRIGE BRÜSTUNG (222). Leg zwischen dem Gang und den angrenzenden Zimmern Innenfenster an — FENSTER IM INNERN (194), SOLIDE TÜREN MIT GLAS (237). Was die genaue Gestalt der Verbindungsgänge angeht, beginn bei DIE FORM DES INNENRAUMS (191)
Muster: Gebäude
98. ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE
104. VERBESSERUNG DES BAUPLATZES
107. GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT
114. HIERARCHIE VON AUSSENRÄUMEN
129. GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE
135. WECHSEL VON HELL UND DUNKEL
140. PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE
149. ENTGEGENKOMMENDER EMPFANG
151. KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER
159. LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM
183. ABGRENZUG DES ARBEITSPLATZES