117 Schützendes Dach

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SCHÜTZENDES DACH
SCHÜTZENDES DACH


... über den GEBÄUDEFLÜGELN MIT TAGESLICHT (107), in der DACHKASKADE (116) sind einige Dächer flach, andere dagegen steil geneigt oder gewölbt. Das folgende Muster beschreibt die Charakteristik der steilen oder gewölbten Dächer; im nächsten wird die der Flachdächer behandelt.


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Das Dach spielt in unserem Leben eine ursprüngliche Rolle. Die primitivsten Gebäude bestehen nur aus einem Dach. Wenn das Dach versteckt ist, wenn es nicht im ganzen Gebäude empfunden werden kann, oder auch, wenn es nicht nutzbar ist, dann fehlt den Menschen ein elementares Gefühl der Geborgenheit.


Diese Geborgenheit entsteht nicht, wenn einem bestehenden Gebäude ein Steildach bloß aufgesetzt wird. Das Dach selbst schützt nur, wenn die Lebensvorgänge in ihm enthalten sind, von ihm umfasst und gedeckt sind. Das heißt ganz einfach, dass das Dach nicht nur groß und sichtbar sein muss, sondern auch Aufenthaltsräume innerhalb seines Volumens — nicht nur darunter — enthalten muss.


Vergleiche die folgenden Beispiele. Sie zeigen klar den Unterschied zwischen Dächern, wenn sie Aufenthaltsräume enthalten und wenn nicht.


Im einen Dach wird gelebt, das andere ist aufgesetzt.
Im einen Dach wird gelebt, das andere ist aufgesetzt.
Im einen Dach wird gelebt, das andere ist aufgesetzt.


Der Unterschied zwischen diesen beiden Häusern beruht hauptsächlich darauf, dass das Dach im einen Fall ein integrierender Teil des Gebäudevolumens ist, dagegen im anderen nur ein Deckel, der oben auf das Gebäude gesetzt wurde. Im ersten Fall wo das Gebäude ein starkes Gefühl der Geborgenheit vermittelt ist es unmöglich, eine horizontale Linie über die Fassade zu ziehen und damit das Dach und die bewohnten Teile des Gebäudes zu trennen. Im zweiten Fall dagegen ist das Dach. ein so abgetrennter und unterschiedlicher Gegenstand, dass eine solche Linie sich von selbst ergibt.


Wir. glauben, dass diese Beziehung zwischen der Geometrie eines Daches und seiner Fähigkeit, psychologisch Geborgenheit zu vermitteln, empirisch begründet werden kann: Erstens kann man nachweisen, dass sowohl Kinder wie Erwachsene natürlicherweise schützende Dächer bevorzugen, gleichsam als hätten diese archetypische Eigenschaften. Amos Rapoport etwa schreibt dazu:


Dach" ist ein Symbol für Heim, wie die Wendung „ein Dach über dem Kopf haben" zeigt, und seine Bedeutung ist in einer Anzahl von Untersuchungen herausgearbeitet worden. In einer Untersuchung, die sich mit der Bedeutung von Bildern - d.h. Symbolen - für die Form des Hauses beschäftigt, wird das schräge Dach als Symbol für Schutz bezeichnet, das Flachdach hingegen nicht, weswegen es auch - aus symbolischen Gründen - nicht akzeptabel ist. Eine andere Studie zu diesem Thema zeigt die Bedeutung dieser Aspekte bei der Wahl der Hausform in England und stellt ebenfalls das geneigte Ziegeldach als Symbol für Sicherheit dar. Es wird als Schirm betrachtet - und in der Werbung einer Baugesellschaft auch als solcher dargestellt. (Amos Rapoport, House Form and Culture, Englewood Cliffs, N. J.: Prentice - Hall, 1969, S. 134.)


George Rand hat aus seiner Untersuchung ähnliche Schlüsse gezogen. Er stellt fest, dass Menschen bezüglich ihrer Vorstellungen von Heim und Geborgenheit extrem konservativ sind. Trotz 50 Jahren Flachdach in Zusammenhang mit dem „modern movement" finden die Leute im einfachen Satteldach noch immer das mächtigste Symbol der Geborgenheit. (George Rand, „Children's Images of Houses: A Prolegomena to the Study of Why People Still Want Pitched Roofs", Environmental Design: Research and Practice, Proceedings of the EDRA 3/AR 8 Con-ference, University of Cälifornia at Los Angeles, William J. Mitchell, Hrsg., Januar 1972, S. 6-9-2 bis 6-9-10.)


Und der französische Psychiater Menie Gregoire beobachtet bei Kindern folgendes:


In Nancy wurden Kinder aus Geschoßwohnungen gebeten, ein Haus zu zeichnen. Die Kindern waren in diesen Wohnblöcken geborgen, die wie Kartenhäuser auf einem isolierten Hügel stehen. Ohne Ausnahme zeichneten alle eine kleine Hütte mit zwei Fenstern und Rauch, der sich aus einem Kamin auf dem Dach ringelt. (M. Gregoire, „The Child the High-Rise", Ekistics, Mai 1971, S. 331-333.)


Solche Beweise könnte man vielleicht mit der Begründung zurückweisen, dass sie kulturell bedingt sind. Es gibt aber eine zweite, augenscheinlichere Beweisführung, die einfach darin besteht, dass man die Beziehung zwischen den Eigenschaften eines Daches und dem Gefühl der Geborgenheit genau darstellt. Im folgenden Abschnitt erläutern wir die geometrischen Eigenschaften, die ein Dach haben muss, um eine Atmosphäre der Geborgenheit zu vermitteln.


  1. Der Raum unter oder auf dem Dach muss nutzbarer sein, Raum, in dem die Menschen täglich zu tun haben; Das ganze Gefühl der Geborgenheit beruht auf der Tatsache, dass das Dach die Menschen nicht nur überdeckt, sondern sie gleichzeitig umgibt. Man kann sich das mit Hilfe einer der folgenden Formen vorstellen. In beiden Fällen sind die Räume unter dem Dach in Wirklichkeit vorn Dach umgeben.

Illustration aus „A Pattern Language“
Illustration aus „A Pattern Language“

  1. Aus der Entfernung muss das Dach einen wesentlichen Teil des Gebäudes bilden. Wenn man das Gebäude sieht, sieht man das Dach. Das ist vielleicht die hervortretendste Eigenschaft eines starken, schützenden Daches.
    Was sonst macht den Reiz einer alten Scheune aus als ihr riesiges Dach - ein Abhang aus grauen Schindeln, wie ein Hügel dem Wetter ausgesetzt, durch seine Weite Sicherheit und Wohlstand ausstrahlend Auch viele der alten Farmhäuser hatten diesen großzügigen Maßstab. und aus der Entfernung war kaum mehr als ihre großen abfallender Dächer zu sehen. Sie schützten ihre Bewohner wie Hennen ihre Brut schützen und sind rührende Bilder der einfachen Form häuslichen Geistes. (John Burroughs, Signs and Seasons, New York: Houghton Mifflin, 1914, S. 252.)

  2. Außerdem muss ein schützendes Dach so angeordnet sein, dass man es berühren kann - nämlich von außen. Ob es geneigt oder gewölbt ist - ein Teil des Daches muss so niedrig zum Boden herunterkommen, an einer Stelle, wo man auch vorbeigeht, dass es ganz natürlich ist, die Dachkante mit der Hand zu berühren.


Dachkanten, die man berühren kann.
Dachkanten, die man berühren kann.
Dachkanten, die man berühren kann.



Daraus folgt:


Mach das Dach geneigt oder gewölbt, mach seine gesamte Oberfläche sichtbar und bring die Dachtraufen weit herunter, an Stellen wie dem Eingang, wo Leute hinkommen, bis auf 1,80 m oder 2,00 m über dem Boden. Leg das oberste Geschoß in jedem Gebäudeflügel direkt ins Dach, sodass das Dach es nicht nur bedeckt, sondern wirklich umfasst.


Illustration aus „A Pattern Language“
Illustration aus „A Pattern Language“


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Entnimm die genaue Form des Querschnittes dem Muster GEWÖLBTE DÄCHER (220); nutz den Raum im First des Giebeldaches als ABSTELLRAUM (145); wo das Dach tiefer herunterkommt, mach gleichzeitig eine ARKADE (119) oder eine- GALERIE RUNDHERUM (166). Mach ein Flachdach nur dort, wo Leute heraustreten und es als Garten benützen können — DACHGARTEN (118); wo Räume ins Dach gebaut sind, mach auch Fenster ins Dach — DACHGAUPEN (231). Bei einem komplexen Gebäudegrundriss entnimm den genauen Verschnitt verschieden geneigter Dächer dem Muster ANORDNUNG DER DÄCHER (209)

Muster: Gebäude


95. GEBÄUDEKOMPLEX

96. ANZAHL DER STOCKWERKE

97. ABGESCHIRMTES PARKEN

98. ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE

99. HAUPTGEBÄUDE

100. FUSSGÄNGERSTRASSE

101. PASSAGE DURCHS GEBÄUDE

102. FAMILIE VON EINGÄNGEN

103. KLEINE PARKPLÄTZE

104. VERBESSERUNG DES BAUPLATZES

105. AUSSENRAUM NACH SÜDEN

106. POSITIVER AUSSENRAUM

107. GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT

108. ZUSAMMENHÄNGENDE GEBÄUDE

109. LANGES SCHMALES HAUS

110. HAUPTEINGANG

111. HALBVERSTECKTER GARTEN

112. ZONE VOR DEM EINGANG

113. VERBINDUNG ZUM AUTO

114. HIERARCHIE VON AUSSENRÄUMEN

115. BELEBTE INNENHÖFE

116. DACHKASKADE

117. SCHÜTZENDES DACH

118. DACHGARTEN

119. ARKADEN

120. WEGE UND ZIELE

121. DIE FORM VON WEGEN

122. GEBÄUDEFRONTEN

123. FUSSGÄNGERDICHTE

124. AKTIVTÄTSNISCHEN

125. SITZSTUFEN

126. ETWAS FAST IN DER MITTE

127. STUFEN DER INTIMITÄT

128. SONNENLICHT IM INNEREN

129. GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE

130. DER EINGANGSRAUM

131. VON RAUM ZU RAUM

132. KURZE VERBINDUNGSGÄNGE

133. DIE STIEGE ALS BÜHNE

134. DIE AUSSICHT DES MÖNCHS

135. WECHSEL VON HELL UND DUNKEL

136. BEREICH DES PAARS

137. BEREICH DER KINDER

138. SCHLAFEN NACH OSTEN

139. WOHNKÜCHE

140. PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE

141. DAS EIGENE ZIMMER

142. MEHRERE SITZPLÄTZE

143. GRUPPE VON BETTEN

144. BADERAUM

145. ABSTELLRAUM

146. FLEXIBLE BÜROFLÄCHE

147. GEMEINSAMES ESSEN

148. KLEINE ARBEITSGRUPPEN

149. ENTGEGENKOMMENDER EMPFANG

150. EIN PLATZ ZUM WARTEN

151. KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER

152. HALBPRIVATES BÜRO

153. VERMIETBARE RÄUME

154. HÄUSCHEN FÜR TEENAGER

155. HÄUSCHEN FÜR ALTE

156. ERFÜLLTE ARBEIT

157. WERKSTATT IM HAUS

158. OFFENE TREPPEN

159. LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM

160. DIE GEBÄUDEKANTE

161. SONNIGE STELLE

162. ABGESTUFTE NORDFRONT

163. ZIMMER IM FREIEN

164. STRASSENFENSTER

165. ÖFFNUNG ZUR STRASSE

166. DIE GALERIE RUNDHERUM

167. ZWEI-METER-BALKON

168. VERBINDUNG ZUM BODEN

169. TERRASSIERTER HANG

170. OBSTBÄUME

171. PLÄTZE UNTER BÄUMEN

172. WILDWACHSENDER GARTEN

173. GARTENMAUER

174. LAUBENWEG

175. GLASHAUS

176. SITZPLATZ IM GARTEN

177. GEMÜSEGARTEN

178. KOMPOST

179. NISCHEN

180. PLATZ AM FENSTER

181. DAS FEUER

182. ATMOSPHÄRE BEIM ESSEN

183. ABGRENZUG DES ARBEITSPLATZES

184. DER KOCHPLATZ

185. RUNDER SITZPLATZ

186. GEMEINSAMES SCHLAFEN

187. EHEBETT

188. BETTNISCHE

189. ANKLEIDEZIMMER

190. VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN

191. FORM DES INNENRAUMS

192. FENSTER MIT BLICK AUF DIE AUSSENWELT

193. DURCHBROCHENE WAND

194. FENSTER IM INNERN

195. ANLEGEN DER STIEGE

196. TÜREN IN DEN ECKEN

197. DICKE WÄNDE

198. SCHRÄNKE ZWISCHEN RÄUMEN

199. SONNIGE ARBEITSFLÄCHE

200. OFFENE REGALE

201. BORD IN HÜFTHÖHE

202. EINGEBAUTE SITZBANK

203. HÖHLEN FÜR KINDER

204. GEHEIMFACH