126 Etwas fast in der Mitte
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... KLEINE PLÄTZE (61), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (67), BELEBTE INNENHÖFE (115), DIE FORM VON WEGEN (121) werden durch die Aktivitäten an ihren Rändern belebt - AKTIVITÄTSNISCHEN (124) und SITZSTUFEN (125). Aber selbst dann ist ihre Mitte noch leer und muss verbessert werden.
Ohne eine Mitte bleibt ein öffentlicher Platz wahrscheinlich leer.
Wir haben bereits die Tatsache erörtert, dass Menschen Stellen bevorzugen, wo ihr Rücken teilweise geschützt ist - HIERARCHIE VON AUSSENRÄUMEN (114), und dass sich dadurch das Geschehen eher an den Rand öffentlicher Plätze verlagert - AKTIVTÄTSNISCHEN (124), SITZSTUFEN (125). Bei einem sehr kleinen Platz reichen die Aktivitäten am Rand aus. Wenn aber in der Mitte eines Platzes eine einigermaßen große benutzbare Fläche freisteht, sollten dort Bäume, Statuen, Sitzgelegenheiten oder Brunnen aufgestellt werden, damit die Leute einen Platz haben, wo ihr Rücken - ebenso wie am Rand - geschützt ist. Dieser Beweggrund, etwas fast in die Mitte eines Platzes zu stellen, ist einleuchtend und sinnvoll. Möglicherweise stecken aber noch einfachere Motive dahinter.
Man braucht sich dazu nur einen leeren Tisch in der Wohnung vorzustellen. Rein instinktiv stellt man eine Kerze oder eine Blumenvase in die Mitte des Tisches und ist jedes mal wieder fasziniert von der dadurch erzeugten Wirkung. Offensichtlich ist diese Tat also durchaus von Bedeutung, was aber klarer weise nicht heißt, dass sie auf die Aktivitäten am Rand oder im Zentrum eines Platzes angewandt werden kann.
Offenbar handelt es sich hier um die rein geometrische Wirkung. Vielleicht ist es die bloße Tatsache, dass man der Tischfläche ein Zentrum gibt, und dass der Punkt im Zentrum dann den umliegenden Raum aufteilt und ihn übersichtlicher und ruhiger macht. Das gleiche passiert bei einem Innenhof oder öffentlichen Platz. Vielleicht hängt das mit dem Mandala-Instinkt zusammen, der in jeder zentrisch-symmetrischen Figur einen starken Bezugspunkt für Träume, Bilder und Selbstwahrnehmungen sieht.
Wir glauben, dass dieser Instinkt auf jeden Innenhof und Platz zutrifft. Selbst bei der Piazza San Marco, einem de/-wenigen Plätze ohne einen klaren Mittelteil, ragt der Campanile heraus und schafft ein zwar ungewöhnliches, aber trotzdem gemeinsames Zentrum für die beiden Piazzas.
Der große österreichische Planer Camillo Sitte beschreibt die Entwicklung solcher Brennpunkte und deren funktionale Bedeutung in seinem Buch Der Städtebau nach seinen künstlerische Grundsätzen (Reprint der 4. Auflage von 1909, Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg, 1983, S.26). Interessanterweise behauptet er aber, dass der Impuls, etwas genau in die Mitte eines Platzes zu stellen, eine moderne „Krankheit" ist.
Man denke sich den freien Platz eines Marktfleckens am Lande, dicht beschneit, und hierhin und dorthin verschiedene Wege ausgetreten oder ausgefahren, so sind das die natürlichen, durch den Verkehr, bereits gegebenen Kommunikationslinien, zwischen welchen dann, und, regelmäßig verstreut, vom Verkehre unberührte Flecke übrig bleiben und auf diesen stehen unsere Schneemänner, weil nur dort der erforderliche reine Schnee gefunden wurde. Auf eben solchen vom Verkehre unberührten Stellen erheben sich in den alten Gemeinwesen aber auch die Brunnen und Monumente.
Daraus folgt:
Wähl zwischen den natürlich entstandenen Wegen, Wähl zwischen den natürlich entstandenen Wegen, die einen öffentlichen Platz, einen Innenhof oder ein Stück öffentliches Land durchqueren, etwas aus: das ungefähr in der Mitte steht: einen Brunnen, einen Baum, eine Statue, einen Glockenturm mit Sitzen, eine Windmühle, einen Musikpavillon. Mach daraus etwas, das dem Platz pulsierendes Leben verleiht und Menschen anzieht. Belass es genau dort, wo es zwischen den Wegen liegt; widersteh dem Impuls, es in die Mitte zusetzen.
Verbind die verschiedenen „Dinge" mit Hilfe des Wegesystems miteinander - WEGE UND ZIELE (120). Dazu zählen auch AUSSICHTSPUNKTE (62), TANZEN AUF DER STRASSE (63), TEICHE UND BÄCHE (64), ÖFFENTLICHES ZIMMER IM FREIEN (69), STEHENDES WASSER (71), PLÄTZE UNTER BÄUMEN (171); sorg dafür, dass jedes „Ding" von einer SITZMAUER (243) umgeben ist.
Muster: Gebäude
98. ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE
104. VERBESSERUNG DES BAUPLATZES
107. GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT
114. HIERARCHIE VON AUSSENRÄUMEN
129. GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE
135. WECHSEL VON HELL UND DUNKEL
140. PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE
149. ENTGEGENKOMMENDER EMPFANG
151. KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER
159. LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM
183. ABGRENZUG DES ARBEITSPLATZES